Gemeinsam Lösungen finden

„Die Betreuung und Pflege der Senioren ist für mich von zentraler Bedeutung und natürlich ist sie auch für Treia von hoher Relevanz“, betont Thorsten Roos, Leiter des Fachbereiches Regionalentwicklung, Bau und Umwelt beim Kreis Schleswig-Flensburg. „Gerade im ländlichen Bereich ist es elementar, die Infrastrukturen zu erhalten und ich bin sehr froh, wenn sich Investoren hier engagieren.“ Der demografische Wandel zeigt vielerorts seine Auswirkungen – auch im Bereich der Pflege und Unterbringung ältere Generationen.

Timo Kux, Inhaber der Seniorenparks in Treia und Hollingstedt, sieht den steigenden Bedarf. „Wir haben täglich Anfragen für Kurzzeitpflege und Dauerpflegeplätze“, erzählt er. „Fast allen müssen wir derzeit absagen, denn unsere Häuser sind restlos ausgebucht.“ Aus dieser Situation heraus entstand der Gedanke, das Haus in Treia um 12 auf dann 50 Plätze zu erweitern. Mit der Erweiterung durch einen Flügel wäre das möglich gewesen. Doch bei der Anfrage für die Finanzierung der Baumaßnahme erteilte ihm die Banken eine Absage. Aus ihrer Sicht sei diese Erweiterung zu klein und damit unwirtschaftlich.

Kux überdachte die Lage und musste in größerem Rahmen planen. „Für mich war nach den Gesprächen mit den Banken die Erweiterung des Osterhofs aufgrund des steigenden Bedarfs und vor allem, um das Unternehmen zukunftssicher aufzustellen, notwendig.“ Die Planung sieht nun einen Anbau vor, der eine Erweiterung der Plätze auf 74 ermöglicht. Um die baurechtlichen Vorgaben erfüllen zu können, sowie die Möglichkeit die Terrasse mit Blick ins Grüne zu erhalten, erwarb Timo Kux die Koppel hinter dem Osterhof.

Mit der Vorbesitzerin sind die Verträge längst in trockenen Tüchern, als sich das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) einschaltet und sein Vorkaufsrecht ankündigt. Denn die Koppel gehört zur Natura 2000, einem zusammenhängenden Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union. Seit 1992 wird es nach den Maßgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie errichtet, um länderübergreifend den Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume zu gewährleisten. Das Gebiet, zu dem auch die Koppel gehört, hat eine Größe von 2.906 ha und umfasst das Treenetal zwischen Oeversee und Friedrichstadt mit den angrenzenden Flächen. Es ist Lebensraum für eine artenreiche Fischfauna, wie Meer-, Bach und Flussneunaugen, für die Gemeinen Flussmuschel und zahlreiche Pflanzen.

Seit einigen Monaten steht die Baustelle an der Geilwanger Straße nun komplett still. Nachdem rund die Hälfte des Bestandsgebäudes bereits abgerissen und der Boden für den neuen Anbau vorbereitet ist, passiert nichts mehr. Indes rennt Timo Kux sprichwörtlich die Zeit davon, denn erst, wenn die Grundstücksfrage positiv geklärt ist, kann die endgültige Baugenehmigung durch die Bauaufsicht erteilt werden. „Wir benötigen einen 15 Meter breiten Streifen der Koppel. Der würde ausreichen“, erklärt er. Dann wären die vorgeschriebenen Vorgaben sichergestellt, das Außengelände könnte für die Senioren ansprechend gestaltet und auch Tiefenbohrungen für eine energieeffiziente Geothermie-Heizanlage vorgenommen werden. „Mit einer abgrenzenden Bepflanzung in Richtung Treenetal könnte man das Natura 2000 Gebiet sogar sichtbar machen und gleichzeitig den historischen Zustand wiederherstellen“, ergänzt Thorsten Roos. „Dieses Gebiet ist von europäischer Bedeutung und ein echter Schatz vor der Haustür, auf den man stolz sein kann.“ Natürlich müssen die Richtlinien des Naturschutzes berücksichtigt und eingehalten werden – darüber sind sich alle einig. „Mitunter werden Entscheidungen aber am grünen Tisch getroffen, ohne die genauen Gegebenheiten vor Ort zu kennen“, betont Bürgermeister Raoul Pählich. „Wichtig ist es, sich ein Bild zu machen und gemeinsam im Dialog eine Lösung zu finden, mit der beide Parteien – Naturschutz und Wirtschaft – gut leben können.“ Im nächsten Schritt wird ein Gutachten klären, ob die Nutzung eines 15 Meter breiten Streifens den Schutz des Gebietes beeinträchtigen würde. Erst dann wird eine Entscheidung fallen.

Für Raoul Pählich hat die Erweiterung des Seniorenparks auch eine Bedeutung für die Familien in Treia und Umgebung. „Es ist wichtig, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Angehörigen bei Bedarf gut untergebracht werden können – und zwar nicht irgendwo, sondern bei uns in der Nähe. Bei ihren Familien, im Dorf, das sie kennen und in dem sie sich wohlfühlen und wo die Wege für Besuche kurz sind.“ Die Zeichen stehen nicht schlecht. Die Fakten werden sachlich und wertschätzend diskutiert und abgewogen, damit die Arbeit in der Geilwanger Straße schnell wieder aufgenommen werden kann. „Wir hoffen sehr, dass wir die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten zusammenzubringen können“, betont Thorsten Roos. „Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.“

Beitrag veröffentlicht von:
Claudia Kleimann-Balke
Raoul Pählich, Timo Kux und Thorsten Roos (v. l.) sind zuversichtlich, dass sie die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten zusammenbringen können.